Erleben wir gerade das Ende der Globalisierung, Herr Bolkenius?
Die Blätter an den Bäumen rauschen bunt vorm Kampmann Verwaltungsgebäude, als wir Frank Bolkenius treffen, den Geschäftsführer Technik bei Kampmann. Wir sprechen mit ihm über die nachhaltige Klimatisierung der Zukunft, wie sich Kampmann in einer krisengeplagten Welt behauptet und über seine Erwartungen zur bevorstehenden ISH 2023.
Herr Bolkenius, es ist Herbst und kühl draußen. Haben Sie zu Hause schon Ihre Heizung angestellt?
Privat noch nicht. Und im Unternehmen auch noch nicht. Bis jetzt war das auch noch nicht wirklich nötig, weil die solare Einstrahlung das Gebäude über Tag noch ausreichend erwärmt hat. Aber wenn es nötig wird zu heizen, dann auf maximal 19 Grad. Denn wir bei Kampmann wollen einen Beitrag zur Energie- und natürlich Gaseinsparung leisten.
Wie stellt sich das dar?
Zunächst haben wir uns alle Bereiche im Werk angesehen, sowohl die Produktion als auch die Verwaltung. Überall dort, wo Wärmerückgewinnung möglich ist, führen wir sie ein. Und wo in den Produktionshallen noch keine Torluftschleieranlagen waren, werden diese installiert. Die Abschirmwirkung dieses Luftschleiersystems funktioniert übrigens auch im isothermen Betrieb, also ohne Heizfunktion, sodass auch hier die Energieeinsparung im Fokus steht. Vor allem aber haben wir den Energiesparfreitag eingeführt. Das heißt: Seit dem 1. Oktober gehen die Verwaltungsmitarbeiter am Freitag ins mobile Arbeiten und in der Fertigung versuchen wir, alle Prozesse in die Zeit von Montag bis Donnerstag zu legen – sofern möglich, versteht sich. So können wir bereits ab Donnerstag in den Energieabsenkmodus gehen.
Man sieht, dass Sie die Energiekrise sehr ernst nehmen.
Absolut! Wir haben unser Energiesparkonzept auch in enger Rücksprache mit den hiesigen Stadtwerken abgestimmt, denn keiner weiß wirklich, was noch auf uns zu kommt. Erfreulicherweise treffen unsere Maßnahmen bei den Mitarbeitern auf breite Zustimmung. Aber die stehen ja zu Hause vor der gleichen Problematik: Heizen ist kostspielig geworden. Und auch ohne Energiekrise ist ein sparsamer, verantwortungsvoller Umgang mit unseren Ressourcen eine Tugend.
Was auch den Run auf Wärmepumpen erklärt.
Und das mit Recht! Wir müssen weg vom Gas, weg vom Öl, hin zu regenerativer, effizient eingesetzter Energie. Deswegen zielen viele unserer Bemühungen gerade auf Heiz- und Kühlsysteme mit Wärmepumpentechnik. Für uns als Unternehmen, das nicht primär in der Kalt- oder Warmwassererzeugung tätig ist, bedeutet das, unsere dezentralen Geräte für den Niedertemperaturbetrieb zu optimieren. Das ist im Moment unser Fokus bei der Produktentwicklung.
Wo sind da die größten Hürden?
In der Tat ist das alles andere als trivial. Unser Unterflurkonvektor Katherm NK, der mit freier Konvektion arbeitet, der hat es natürlich schwer, wenn er jetzt nur noch Wasser mit 40 °C bekommt. Mit geringen Temperaturen effizient zu heizen, funktioniert am ehesten über die Erhöhung der Luftmenge. So haben wir jetzt einen neuen Heizkörper entwickelt, den PowerKon LT, der als Ersatz für einen klassischen Radiator dient. Der also ventilatorunterstützt für den Niedertemperaturbetrieb geeignet ist. Aber auch unsere Lufterhitzer optimieren wir jetzt für geringere Temperaturen.
Also auch Geräte-Klassiker wie den Ultra?
Gut, dass Sie das erwähnen. Vom Ultra wird es eine ganz neue Version geben: Für den Niedertemperaturbetrieb besonders geeignet, flexibel einsetzbar und mit rundem Gehäuse heißt er folgerichtig Ultra Allround. Durch eine motorbetriebene Klappentechnik kann zwischen einen optimalen Kühl- und Heizbetrieb umgeschaltet werden. Dadurch eignet sich der Ultra Allround auch für große Installationshöhen jenseits der fünf Meter. Aber unsere Optimierung gilt allen Geräten mit Wärmetauschern. Wir prüfen, ob die Geräte sowohl für hohe als auch für niedrige Temperaturen geeignet sind. Was ganz interessant ist. Denn noch vor fünf bis zehn Jahren haben wir alles auf hohe Temperaturen hin optimiert – auf Wasservor-, und -rücklauftemperaturen von 75/65 °C bezogen auf 20 °C Raumtemperatur. Heute optimieren wir beispielsweise auf die Wassertemperaturen von 45/35 °C, ebenfalls bezogen auf 20 °C Raumtemperatur. Ein immenser Unterschied. Und das bedingt, dass der Wärmetauscher ganz anders beschaffen sein kann. Der Wärmetauscher muss mit einem deutlich höheren Luftvolumenstrom durchströmt werden, damit er noch effizient funktioniert.
Wird sich das etablieren?
Zweifellos! Alles, was heute gebaut wird, geht Richtung Wärmepumpe und Niedertemperatur. Mittelfristig wird sich die Wärmepumpe überall durchsetzen. Und wenn das Gerät mit erneuerbaren Energien betrieben wird, dann haben wir auch einen großen Schritt in Richtung Klimaschutz gemacht.
Apropos Klimaschutz: Im Winter 2022/2023 denken wir nur an Gas und Heizen. Aber der nächste Hitzesommer kommt bestimmt. Dann wird Kühlen wieder das Thema sein …
… und genau dafür ist die Wärmepumpe wieder perfekt geeignet. Denn nahezu jede Wärmepumpe ist ja auch ein Kaltwassererzeuger. Das System der Zukunft ist die invertierbare Wärmepumpe zum Heizen und Kühlen in Verbindung mit auf Niedertemperaturbetrieb hin optimierten, ventilatorunterstützten Endkomponenten zum Heizen und Kühlen. Das ist nachhaltig, sorgt in allen Jahreszeiten für Komfort und ist damit absolut zukunftsfähig.
Sie würden mir also auch für mein Eigenheim empfehlen, bald auf eine Wärmepumpe zu setzen?
Durchaus. Aber in Verbindung mit den entsprechenden Heizkörpern! Das ist der Knackpunkt: Was nützt mir eine Wärmepumpe, wenn die klassischen Radiatoren nicht für die Niedertemperaturanwendung geeignet sind? Mit dem PowerKon LT bringen wir genau für diesen Anwendungszweck einen ventilatorunterstützten Heizkörper auf den Markt. Aber warten Sie noch, bis die Preise für Wärmepumpen für Wohnhäuser wieder ein erträgliches Maß erreicht haben.
Wird Kampmann mit seinen Wärmepumpen in den Endverbrauchermarkt einsteigen?
Nein, das werden wir nicht. Wir bleiben der Experte für Industrie- und Gewerbeanwendungen. Das ist unser Markenkern. Meistens verkaufen wir die Wärmepumpe dann im Paket mit passenden Lufterhitzern und anderen dezentralen Komponenten. Wir verstehen uns da als Anbieter von Gesamtlösungen für die Industrie.
Die Welt befindet sich in einer einmaligen Krisensituation: Klima, Pandemie, Ukraine und dadurch gestörte Lieferketten und die Energiekrise. Eine Folge: Wärmepumpen sind kaum zu kriegen. Wie sieht es bei Kampmann aus?
Die aktuellen Probleme der Materialverfügbarkeit gelten nicht nur für die Wärmepumpen! Bei fast allen unserer Produkte werden Komponenten eingesetzt, die mittlerweile sehr lange Lieferzeiten haben. Beispielsweise seien hier deutsche Lieferanten von EC-Ventilatoren genannt, die Lieferzeiten von über zwei Jahren haben. Dennoch sind wir bisher lieferfähig gewesen und werden alles daran setzen, dies in Zukunft auch zu bleiben. Im Moment bekommt in der Regel nicht der günstigste, beste Anbieter den Auftrag, sondern der, der in passabler Zeit liefern kann. Wir haben den Vorteil, dass wir ein sehr großes Standardportfolio haben und dadurch sehr genau wissen was wir brauchen. Nicht nur deswegen, sondern auch wegen der Situation der letzten drei Pandemiejahre mit dem schwierigen Beschaffungsmarkt bevorraten wir uns vorausschauend großzügig, aber mit Augenmaß. Davon profitieren wir jetzt.
Wie sehr betreffen Sie die Krisen?
Jede dieser furchtbaren Krisen betrifft uns direkt. Das Russlandgeschäft darbt seit Beginn der Sanktionen 2014 und ist seit 2022 nicht mehr existent, auch weil wir uns aus dem Land komplett zurückgezogen haben. Aus der Ukraine-Krise folgte die Energiekrise. Darunter leidet jeder. Aber hier können wir – wie schon erwähnt – auch Lösungen anbieten. Und da Effizienz immer auch mit CO2-Einsparung einhergeht, und wir zudem schon seit vielen Jahren auf nachhaltige Systeme wie unsere Ka2O-Technologie setzen, können wir auch unseren Teil zum Klimaschutz beitragen. Und mit unseren Lüftungsanlagen, speziell auch Schullüftungsanlagen, sowie mit unseren Luftreinigern konnte Kampmann die Pandemiebekämpfung unterstützen. Von daher sind es auch aus unternehmerischer Sicht überaus spannende und – so seltsam das klingt – auch recht erfolgreiche Zeiten.
In der westlichen Wirtschaft findet gerade ein Umdenken statt: Insbesondere um die Abhängigkeit von asiatischen Zulieferern – hier vor allem China – zu reduzieren, werden Halbteile und andere Fabrikate mehr und mehr wieder selbst produziert. Erleben wir das Ende der Globalisierung?
Das kann man nicht mit ja oder nein beantworten. Aber es stimmt: Nicht nur wegen der Lieferketten, auch wegen der politischen Stimmung in vielen Ländern und dem damit einhergehenden zunehmenden Protektionismus, wird sich die Globalisierung verändern. Das ist aber ein langer Prozess. Im Moment besteht noch eine große Abhängigkeit von China. Die stellt man nicht einfach ab. Bis wir in Europa die Infrastruktur geschaffen haben, um unabhängig zu sein, werden noch einige Jahre vergehen.
Ist das das Ziel: Unabhängigkeit von China?
Man darf nicht komplett abhängig sein, richtig. Aber es muss einen gesunden Mittelweg geben. Jetzt wirklich alles selbst machen zu wollen, ist auch keine Lösung. Was sich aber wegen der Krise komplett gewandelt hat, ist die Mentalität des Einkaufs. Die Lager sind voll, die Zeiten des Just-in-time vorbei. Teilweise wird richtiggehend gehamstert.
So wie die Bürger zu Beginn der Pandemie mit Toilettenpapier …
Genau! Und wo viel eingelagert wird, ist wenig Ware im Umlauf. Sie wird teuer und rar. Das ist eine richtige Blase – die irgendwann platzen wird. Und dann entspannt sich auch die Lage wieder, sowohl in Bezug auf die Preissituation als auch auf die Verfügbarkeit. Gleichzeitig schlittern wir in eine Rezession. Einige Projekte werden nicht mehr angefangen oder auf Eis gelegt. Eine sich abschwächende Nachfrage trifft dann auf überbordende Lagerbestände.
Zum Abschluss unserer Gespräches: Bald beginnt die ISH 2023. Freuen Sie sich drauf?
Sehr. Oder vielmehr bin ich überaus gespannt, wie es wird. Es ist die erste ISH nach der Corona-Pause. Ich glaube nicht, dass die Pause der Messe beziehungsweise dem Messewesen im Allgemeinen gut getan hat. Es bestätigte sich, was man vorher schon vermutete: Es kann auch ohne funktionieren. Der Markt holt sich seine Informationen heute online. Und wenn Gäste aus aller Welt kommen, sind Gäste aus aller Welt auch viele Kilometer unterwegs. Das ist nicht nur nicht nachhaltig – es kostet auch Zeit. Die Pandemie hat dann obendrein gezeigt, wie leicht wir uns persönlich auch über Videokonferenzen austauschen können. Ist das Konzept Messe also noch tragfähig? Wir glauben: Man muss teilnehmen, um es zu erfahren. Wir werden die Messe anschließend kritisch hinterfragen und daraus unsere Schlüsse ziehen.